Morgens

Er verabschiedete sich mit einer nichtssagenden Lippengefälligkeit und zog die Tür sachte hinter sich zu, um die Kinder nicht zu wecken. Draußen war es trübe. Drinnen stauten sich stumme Tränen, unentschlossen hinabzufließen. Der Nebel stand auf der Straße. Die Laternen brannten noch.

Gestanden

Er hat gestanden… seinen Mann gestanden. Er stand. War standhaft.
Auf dem Stand verhaftet.

Früher hat er gefallen. Vielen gefallen. Er fällt jetzt. Ist Gefallener, Gebeugter.
Aus dem Stand gehebelt.

Jetzt liegt er. Vorsätzliche Dummheit hat ihn hierhergebracht. Hat ihn niedergestreckt. Von oben nach unten im Karriereplan. Konsequent und folgerichtig. „Folgen!“ – „Richtig.“
Folgen falsch eingeschätzt.

Die Linie

Retuschieren Sie den Moment. Gehen Sie an der Linie entlang und folgen ihr bis zu ihrem Ende, so es eines gibt. Sollten Sie daneben treten seien Sie gewiss, dass Sie es bereuen werden und wachen Sie über Ihre weiteren Schritte wieder etwas aufmerksamer. Dies ist kein Spiel, es ist der Ernst. Der Ernst. Es gibt doch nichts Wichtigeres, als zu gehen. Das werden Sie doch auch einsehen. Und auf der Linie zu gehen wird Ihnen ersparen, stehenzubleiben. Wir führen Sie durch die Wälder, ohne dass Sie vor einem Baum stehen bleiben müssen, führen Sie durch die Berge, an den Seen vorbei in notwendiger Distanz, damit Sie keine Gefahr laufen. Sie laufen auf dem sicheren Pfad, den auch andere schon beschritten haben. Wir garantieren natürlich nichts, denn jeder Mensch ist anders – und das Unvorhergesehene kann natürlich immer eintreffen und kann jeden treffen. Das überhaupt ist ja das Fatale daran. Aber von allen Möglichkeiten haben Sie mit der Linie die Beste für einen langen Weg gewählt. Es gibt doch die Erfolge derer, die schon vor Ihnen auf der Linie schritten. Fragen Sie die Großen, von denen Sie schon gehört haben. Sie werden es Ihnen bestätigen. Nur so kommen Sie maximal weit, nur so kann doch Fortschritt funktionieren. Und nun nehmen Sie Ihre Beine in die Hand, denn Sie sind ja hier, um sich zu bewegen, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie stehen schon viel zu lange hier herum. Stellen Sie sich nicht so viele Fragen. Der Weg ist doch das Ziel und die Linie nimmt Ihnen alles ab. Sie müssen einfach nur darauf achten, dass Ihre Füße nur dort auftreten, wo wir eine Markierung hinterlassen haben. Folgen Sie dem Pfad. Gehen Sie. Und retuschieren Sie den Moment. Nur so kommen Sie weg von diesem Elend. Nur so können Sie das alles hier weit hinter sich lassen. Nur so können Sie wirklich loslassen. Nur so kommen Sie aus dieser Gegend heraus.

Herzen herzen Herzen (Fragment)

Herzen herzen Herzen. Die Flucht zur Tür. Der Sprung durch den Spalt, den sich schließenden. Hinter mir. Ich eile träge, laufe stelzend. Ich werfe meinen Schatten ab und lasse das Licht hinter mir. Ich trete aus mir heraus und werde kein anderer. Ich bleibe stehen und sehe die Welt in meinem kleinen Zeh. Ich wandere auf ihr, in ihr, an meinem Fuß entlang. Ich schüttle …

Nachtverratimpression

Durch Dunkel gehetzt,
verlassen worden.
Gelassen geworden.
Stumme Gelassenheit,
schweißgenässte Gelassenheit.
Unehrliche Gelassenheit.

Auf trockenem Asphalt
aufplatzende reife Frucht.
Schamerfüllt, gesehen
und gesehen worden.
Fürchtend, flüchtend.

Dämmerung in falsche Richtung.
Wachsamkeit, wachen. Erwachen.
Das Dunkel abstreifen und die
Hoffnung auf den nahenden Tag nicht verlieren.
Bloß nicht verlieren.
Er ist neu und du bist da.
Bloß nicht denken, nicht zurückerinnern.
Nicht zurücklaufen, nicht die Gassen denken.
Nicht die Wege zurückverfolgen.
Nicht die Verfolger verfolgen
in Gedanken.

Das Gedankennetz durchtrennen
mittels Gewalt am eigenen Leib
bis er die Ruhe gibt, sich selbst
ruhen zu lassen. In Ruhe ruhen.
Dem Leib seine Ruhe gönnen,
seinen letzten Gedanken folgen.

Letzte Gedanken sind wie
Nebelfäden, zäh und transparent
und unendlich leicht. Keine schwere
Farbe trübt diesen letzten Gedanken,
kein heftiges Bild, keine klaren Kontraste.

Bis dass der Tod Euch scheidet aus der Welt.
Aus dem Dunkel in das dunkle Nichts.

Zwei Aufrufe

Ein Aufruf an die Desinteressenten dieses Landes:
Lasst die Hände liegen, strahlt Wärme aus und gebt Euch dem Nutzlosen hin! Seid gewillt, das zu tun, was keiner will.

Ein Aufruf an den Einzelnen:
Sei ein Manifest Deiner selbst und strahle Wärme aus. Der Dreh ergibt zwangsläufig Zwanglosigkeit. Die Gesellschaft zwingt sich dir auf, wenn du sie nicht bittest, draußen zu warten und zuzusehen. Gib dich der Wärme derer hin, die sie ausstrahlen und sei gewillt, diesen Schritt zu tun. Halte ein Bein nach oben und den Kopf in die umgekehrte Richtung. Sei du selbst. Sei ein Mann. Habe Angst, doch sei stark, wenn es hart kommt, denn das wird es. Es wird hart sein. Liebe dich – das, was du ergibst. Sei die Summe deiner Teile und spiele mit letzteren. Spiele sie gegeneinander aus, zwinge sie zum Widerstand in dir selbst, lass sie sich bekriegen und ziehe den Nutzen daraus. Leite die Diskussion in deinem Innern mit Überzeugung und Überblick.

Schreibe laut auf!

Weltenbrandung

Ein grün-blau-blinder Fleck in der Mitte meines Sehens verhindert den Blick auf meine tief-dunkle Mitte. Selbst bei geschlossenen Augen. Ich schwebe zwischen dem matschigen Schwarz, das sich über die umgebende Schwärze legt und dem Ungewiss in meinem Rücken. Ich wünschte tiefes Sinken oder Fallen und verharre dennoch. Mein Geist ist schwach, meine Gedanken halten mich in meiner Schwebe, verhindern jeden Schein, der mich verführen könnte, doch zu gehen. So wache ich und werde wieder ich.

Weltenbrandung

Ein grün-blau-blinder Fleck in der Mitte meines Sehens verhindert den Blick auf meine tief-dunkle Mitte. Selbst bei geschlossenen Augen. Ich schwebe zwischen dem matschigen Schwarz, das sich über die umgebende Schwärze legt und dem Ungewiss in meinem Rücken. Ich wünschte tiefes Sinken oder Fallen und verharre dennoch. Mein Geist ist schwach, meine Gedanken halten mich in meiner Schwebe, verhindern jeden Schein, der mich verführen könnte, doch zu gehen. So wache ich und werde wieder ich.