Wie viel Leid steckt im Leder?

Leid von Tieren, die über tausende Kilometer gewaltvoll transportiert werden, deren Innereien nach einer Schlachtung ohne Betäubung im Fluss landen, zusammen mit der Gülle der Millionen anderen Tiere sowie einem lebensbedrohlichen Chemikalien-Cocktail aus den Gerbereien.

Leid von Menschen, die barfuß in giftigen Chlorbädern waten, die die Innereien der Tiere wieder aus der Brühe fischen, um wenigstens etwas zu essen zu haben.

Leid von Kindern, die auf Müll- und Sondermüllhalden groß werden, die schon früh schuften müssen, damit die Familie überleben kann – soweit man es bei einer Lebenserwartung von 50 Jahren mit chronischen Krankheiten und bei der gefährlichen Arbeit verlorene Gliedmaßen, überleben nennen kann.

Wie viel Leid können wir noch (er)tragen?

Bilder, die mich fassungslos machen, aus einer ZDF-Dokumentation des Magazins 37°.

Nach Angaben der Vereinten Nationen zählt die Nutztierhaltung heute „bei den wichtigsten Umweltproblemen jeweils zu den zwei bis drei Hauptverursachern. Die Auswirkungen sind so erheblich“, mahnen die UN-Experten, „dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.“

„Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen“ von Melanie Joy, Seite 99

Wenn Ihr sie schon tötet, dann esst sie doch wenigstens!

Wie konnten sie sich diese Chance entgehen lassen, liebe Supermarktketten? Hätten Sie doch einfach draufgeschrieben, was drin ist in Ihren Pferdefleischprodukten. Sie hätten es sicherlich für einen zusätzlichen Euro als Delikatesse verkaufen können. Und jetzt keinen Skandal.

Und wieso vernichten Sie nun die Produkte? Wenn Sie die Tiere schon töten, dann esst sie doch bitte wenigstens! Die erste Reaktion der Behörden war doch, dass es unbedenklich sei. Zugegeben, das ist wenig beruhigend, da die Behörden diese Beteuerung reflexartig äußern, sobald etwas auch nur nach Lebensmittelskandal riecht.

So bleibt ja noch nicht einmal ein schaler Nachgeschmack. Der eigentliche Aufreger ist ja ohnehin nicht das stolze Tier, das hier gewolft wurde, sondern dessen ominöse Herkunft und Transportwege. Was in der aktuellen Diskussion komplett außer Acht gelassen wird, ist, dass auch in einer Lasagne aus anderen Tieren über Herkunft und weitere Inhaltsstoffe wie Antibiotika, Hormone und Eiter keine Informationen angegeben werden – von Lebensbedingungen und Schlachtmethoden mal ganz abgesehen.

Und wo wir gerade von ominösen Transportwegen sprechen.  Tierschutzverbände haben kürzlich Tiertransporte in die Türkei verfolgt und die schockierenden Torturen der Tiere gefilmt, die nicht ausreichend zu trinken und zu fressen bekommen (siehe dazu den Zusammenschnitt unten, aber Vorsicht: das ist im doppelten Wortsinn keine leichte Kost).

Die einzige Möglichkeit für Verbraucher scheint derzeit zu sein, sich dem Tierkonsum komplett zu verweigern – bis endlich Transparenzen geschaffen werden, die uns beim Kauf eine wirkliche Wahl lassen!

Eben so wie bei den Eiern, die seit deren Kennzeichnung – zumindest im Frischeverkauf – kaum noch aus Käfighaltung stammen. Überall, wo   Ei enthalten ist, ohne dass dessen Haltung deklariert werden muss, ist es immernoch häufig das Ei aus dieser brutalsten aller Tierhaltungen. Und das sind – je nach Quelle – immernoch 10–30% aller Eier, die in Deutschland konsumiert werden.

Von wegen Tierschutz – dass die Anforderungen des neuen Labels des Deutschen Tierschutzverbands nicht weit genug reichen, ist sicherlich diskussionswürdig. Dass aber die selbst gesteckten Ziele teilweise gar nicht eingehalten werden, ist ein Skandal.

Und von wegen Transparenz – Abschottung, Drehverbot, Interview-Verweigerung. Das bleibt weiter Alltag in der industriellen Massentierhaltung. Seht dazu den ARD-Beitrag „REPORT aus Mainz“.

17 Mio. Dollar für Mission „Vegan“ der NASA

Die NASA entwickelt für ihre in den 2030ern geplanten bemannten Mars-Mission eine komplett vegane Ernährung. Dazu soll nach aktuellem Stand frisches Gemüse und Obst im Raumschiff geerntet und verarbeitet werden.

Mit sage und schreibe 1 Mio. US-Dollar pro Jahr (also mindestens 17 Mio. US-Dollar bis 2030) werden nun vegane Gerichte entwickelt oder aus vegetarischen Kochbüchern nachgekocht, wie die leitende Forscherin des Rüstungskonzerns Lockheed Martin sagt. Das sei ein gering bemessenes Budget, das hoffentlich gegen Ende noch erhöht werden wird, wie eine andere Forscherin gegenüber Associated Press (AP) darstellt.

Fairerweise muss aber noch gesagt werden, dass neben der Entwicklung der Rezepte mit den Dollar-Millionen auch ein Ernährungstest über die geplante Dauer der Mission durchgeführt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass sich eine Crew von 6-8 Astronauten ca. 2,5 Jahre (6 Monate Hinflug, 1,5 Jahre im Orbit des Mars und 6 Monate Rückflug) gesund ernähren kann.

Auf YouTube gibt es einen Einblick in die NASA-Laborküche.

Quelle: One Green Planet

Heiße Luft, um die Gemüter zu kühlen

Ach, herrlich, was die Rhetorik schafft. Und wie sich die Verbände (alias Lobbyisten) im Namen ihrer Mitglieder winden und aus Schlingen ziehen.

Zum Hintergrund: Anfang der Woche hat der BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung und Le Monde diplomatique den „Fleischatlas 2013“ herausgebracht, der unter eine CC-Lizenz zum kostenlosen Download zur Verfügung steht. Es handelt sich dabei um ein Werk – ganz im Stile des Weltatlas von Le Monde diploamtique – gespickt mit griffigen Infografiken, allesamt mit eindeutigen Quellenangaben belegt, um zu einem Thema kompakte Informationen zusammenzustellen, um einen Überblick über komplexe Zusammenhänge zu bieten. In diesem Fall eben über Fleischproduktion und -konsum.

Die Informationen, die die Autoren so übersichtlich zusammengefasst haben, haben zu einigen markigen Schlagzeilen in deutschen Publikationen geführt:

  • Jeder Deutsche isst knapp 1000 Hühner (Tagesschau)
  • Maßloser Hunger auf Tiere schadet der Menschheit (FOCUS)
  • Verbraucher in Deutschland zahlt „drei Mal fürs Fleisch“ (Deutschlandradiio Kultur)
  • Keiner braucht das Fleisch (Nordsee-Zeitung)
  • Umweltverschmutzung, Rohstoffverbrauch: Unser Schnitzel und die Folgen (Abendzeitung München)
  • Fleischkonsum der Deutschen: Auf Kosten der Armen (taz)

So viel schonungslose Presse konnte der der Deutsche Bauernverband (DBV) nicht unkommentiert lassen. In einer Pressemitteilung versucht er sich an einer Gegendarstellung. Doch leider bleibt es bei diesem Wunsch, denn sie liefert weder Argumente noch Antworten. Hier eine kommentierte Wiedergabe des Textes:

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert den Versuch des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), den Verbrauchern mittels einseitiger Darstellungen über globale Entwicklungen ein schlechtes Gewissen beim Verzehr von Fleisch einzureden.

Wer den Fleischatlas gesehen hat, weiss, dass es hier um Aufklärung über die tatsächlichen Auswirkungen und häufig verschleierten Hintergründe unserer Lebensmittelproduktion geht und nicht um platte Polemik.

Aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes bleibt Fleisch ein wichtiger Bestandteil einer vollwertigen und gesunden Ernährung.

Diese Sicht teilen Ernährungswissenschaftler nicht, aber dass diese Aussage interessengeleitet ist, dürfte ja offensichtlich sein.

Die vom BUND offenbar propagierten Lebensstile treffen nicht in Ansätzen die Realität breiter Schichten der Bevölkerung.

Erstens propagiert der BUND in dieser Veröffentlichung nichts. Zweitens: richtig, sonst wären die Auswirkungen ja nicht so verheerend, wie es der Atlas darstellt.

Der Fleischverbrauch in Deutschland stagniere seit Jahrzehnten.

…auf hohem Niveau (siehe: Deutsche belegen Spitzenplatz beim Fleischkonsum).

Es gebe Nachfrageverschiebungen vor allem vom Rindfleisch hin zu Geflügel. Bei Geflügel- und Schweinefleisch wird ein wachsender Anteil des Verbrauches nicht mehr importiert, sondern in Deutschland erzeugt.

Das mag ja alles stimmen, aber was hat es mit der Sache zu tun, dass das Fleisch nun zum größeren Teil in Deutschland produziert wird? Es geht ja um die Haltung an sich und den Konsum an sich. Soll dieser Absatz vielleicht nur zeigen, dass hier jemand weiß, wovon er schreibt? Nun gut.

Ziel der deutschen Landwirtschaft werde es auch weiterhin sein, die tatsächlich vom Verbraucher nachgefragten Lebensmittel zu liefern, so der DBV.

Ein typisches Scheinargument: die Industrie schiebt den schwarzen Peter an den Verbraucher, der aber von der gleichen Industrie durch Werbung und Packungsgestaltung in die Irre geführt wird und eine journalistische Aufklärung zu verhindern versucht. Tatsache ist: 82% der Bevölkerung lehnen die Massentierhaltung ab, aus der aber aktuell 98% des Fleisches stammt, das in Deutschland verzehrt wird. Wenn also die Mitglieder des DBV die Wünsche ihrer Kunden ernst nähmen… ach, lassen wir das Fabulieren und Wunschdenken. Weiter im Text.

Der BUND dramatisiere auch mit seiner Behauptung, die Tierhaltung werde seitens der EU-Agrarpolitik massiv subventioniert. Seit 2005 wurde die direkte Förderung der Tierhaltung endgültig gekappt (“Entkopplung”).

Der DBV mag es für eine Dramatisierung halten. Ich halte aber 2,7 Mio. Euro bzw. 3,3 Mio. Euro pro Jahr allein für den größten Schweineschlachter Deutschlands für „massive Subvention“.

Stattdessen werden die Direktzahlungen als Flächenprämie für die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft bei Wahrung von hohen europäischen Umwelt- und Tierschutzstandards gewährt.

Naja, auch die Auswirkungen dieser Vorgaben aus Brüssel sehen in der Realität eben anders aus.

Exportsubventionen haben heute in der EU praktisch keine Bedeutung mehr.

Aha, dazu kann ich nichts sagen – und recherchieren mag ich dazu jetzt nicht. Das scheint mir eher ein Detailthema zu sein. Bekräftigen oder entkräften würde es jedenfalls in meinen Augen nichts.

Aber das ist tatsächlich der letzte Satz dieser „Stellungnahme“ zu einer 52-seitigen, aufrüttelnden Darstellung unserer Agrarproduktion.