Die Selbstlüge der Selbsterkenntnis

Vielleicht war die ganze Geschichte mit dem Apfel eine Selbstlüge. Wer weiß, ob der Mensch das Paradies nicht aus freien Stücken verlassen hat und sich später in Gram über sich oder seine Vorfahren das Vertriebenwordensein hinzugedichtet hat?

Es ist vielleicht sowieso nur eine Metapher vom dreieinigen Gott und dem Menschen. Denn eigentlich wüten alle Viere in uns. Es macht die Sache nur einfacher, sich selbst gespalten zu betrachten. So gesehen wäre die Geschichte vom Auszug aus dem Paradies nicht nur eine von Selbsterkenntnis sondern auch die vom Wunsch zur Selbstverwirklichung. Und natürlich unbenommen davon, dass dieses Streben in die Irre führt und uns von unserem Ursprung entfernt.

Doch wer, der einmal Bewusstsein geleckt hat, möchte schon den Umkehrschluss vom erkenntnisgehemmten Instinktwesen leben? Was wäre, wenn das Leben an sich nur dazu dient, uns von uns selbst zu entfernen? So weit, wie es geht. Das Band, das uns anbindet, wird nie reißen. Auch, wenn wir es noch so dünn straffen und unsere ganze Kraft des Egos dagegenstemmen. Am Ende holt uns das Paradies zurück.

Es gibt doch kein Voranschreiten außer im Leben. Und diese Erkenntnis hält zwei Handlungsoptionen parat:

  1. Wir müssen nicht voranschreiten, denn am Ende machen wir den großen Schritt zurück.
  2. Wir können nur hier voranschreiten, also lasst es uns tun – so lange wir können. Denn es gibt keine Gefahr, die uns von der sicheren Rückkehr abhalten wird.

Die Kontraproduktivität des gut gemeinten Ratschlags

Der Erfahrene sagt: “Du wirst erst später in Deinem Lebes erst erkennen, was wichtig für Dich gewesen ist und an welchen Gabelungen sich Dein persönlicher Weg ergeben hat” und gibt den Ratschlag: “Lebe jeden Tag als wäre es Dein letzter, denn Du wirst unweigerlich sterben”.

Der Unerfahrene hört dies und versinkt in eine Starre. Er lebt auf kleiner Flamme, denn es scheint ja so, dass die wichtigen Erfahrungen gänzlich unplanbar, wie zufällig und als wichtig noch unerkannt sich ihm ergeben. Und ein Streben nach Bedeutung und Besitz scheint im Angesicht des jederzeit möglichen, in jedem Fall aber unabdingbaren Todes, keinen Sinn zu machen. 

Und so lebt der gut gemeinte, auf den Erfahrungen des Erfahrenen basierende Rat im Unerfahrenen fort und bewirkt all das zu verhindern, was der Erfahrene ohne dieses Wissen noch erleben konnte.

Vielleicht sind die wahren Weisen die Schweigenden und die wirklich Lebenden die Unwissenden. Doch können wir den schweigenden Weisen nicht erkennen und loben den Redenden dafür. Und wir achten den Unwissenden nicht für seine blütengleiche Naivität, sondern den Wissenden und Umsichtigen für seine frühe Reife.

Die Sprachgrenzen überschreiten

Die Sprachgrenzen überschreiten. Immer mit der Frage im Kopf: sind sie natürlich, gelten sie auch anderswo – in anderen Kulturen, bei anderer Denk- und Sichtweise?

Die Sprachgrenzen aufzuheben – sozusagen sprachgrenzenlos zu sein – bedeutet doch auch, frei zu denken, Toleranz auf philosophischer Ebene zu leben.

Das wäre das Ende der Weltanschauerlichkeiten.