Wir leben in einer Annahmengesellschaft. Nicht in einer Wissensgesellschaft. Natürlich haben wir eine Menge Wissen angehäuft, aber indem wir nur auf diesen einen Berg schauen, verlieren wir aus dem Blick, dass das Unwissen wesentlich größer ist.
Indem wir eine Theorie auf eine Prognose auf ein Modell stapeln, haben wir zwar vielleicht einen guten Ausblick und können weit schauen, aber unsere Plattform ist fragil, um es mit Nassim Taleb zu sagen.
Wenn wir dagegen davon ausgehen, dass unser Unwissen immens ist, sind wir nicht sofort irritiert, wenn sich etwas ändert, obwohl wir doch nichts verändert haben.
Wir handeln immer nach unseren Theorien. Und wir gehen davon aus, dass eigentlich nichts Unvorhergesehenes geschehen dürfte, aber: das Unwahrscheinliche ist nicht das Unmögliche. Und das Wahrscheinliche nicht das Wahrhaftige.
Wenn wir handeln, als ob wir wüssten, sind wir nicht mehr offen für die Abweichungen, die Überraschungen, die Wunder. Dann sind das alles nur noch Fehler.
Ich möchte lieber dem Sein begegnen, indem ich mich aufmache für Erfahrungen – anstelle von Handeln für Ergebnisse. Lasst uns erkennen, dass wir nichts als annehmen können – und das im doppelten Wortsinn.
Wir wissen nichts – oder zumindest nicht viel. Und das ist wunderschön.
Natürlich macht Unwissen unsicher. Und es ist und bleibt vermutlich eine Übung, die uns sehr viel abverlangt, mit Ungewissheit zu leben (siehe Ambiguitätstoleranz). Um dem aber aus dem Weg zu gehen, versuchen wir, Ungewissheiten in Risiken umzuformulieren und sie so in unsere Theorien einzupassen – weil Risiken kalkulierbar sind. Oder uns so erscheinen.
Ungewissheiten sind unheimlich. Die meisten von uns scheuen sie (siehe Ellsberg-Paradoxon).
Wir treffen lieber eine Wahl als eine Entscheidung. Aus einer Entscheidung unter eingestandener Unwissenheit, versuchen wir – mit gesammelten Fakten und Theorien – eine Wahl zu machen, die wir rational und begründet vornehmen können.
Nur machen wir uns damit vor, dass wir wüssten, was die Konsequenzen sind, als könnten wir tatsächlich in die Zukunft schauen.
Solange uns aber bewusst ist, dass wir nicht wissen, kommen wir nicht in die Gefahr, eine menschengemachte Illusion zur Realität zu erklären.
Daher: lasst uns annehmen, dass wir nur annehmen, was ist.