Die Welt ist kalt

Die Welt ist kalt. Die Gemüter der Menschen haben Winter. Das Handeln, die Politik, die Wirtschaft, der Konsum ziehen sich zurück. Jeder igelt sich ein. Frost ist auf dem Vormarsch. Das Leben kommt zum Erliegen. Menschen nähern sich einander nur noch an, um die letzte Restwärme gegenseitig zu nutzen. Ein Großteil verfällt in Schlaf.

Es ist ein stummes Ende. Die Stille der schweigenden Menschheit wird nur durchzogen vom Bersten frierender Materie, vom Klirren herabfallender Eiszapfen. Gesprochen wird nicht mehr. Jeder Atemhauch wird aufgespart. Bis zur letzten Minute.

Die Sprachgrenzen überschreiten

Die Sprachgrenzen überschreiten. Immer mit der Frage im Kopf: sind sie natürlich, gelten sie auch anderswo – in anderen Kulturen, bei anderer Denk- und Sichtweise?

Die Sprachgrenzen aufzuheben – sozusagen sprachgrenzenlos zu sein – bedeutet doch auch, frei zu denken, Toleranz auf philosophischer Ebene zu leben.

Das wäre das Ende der Weltanschauerlichkeiten.

Das Lob und sein Schaden

Selbst der bestgemeinte Rat, das freundlichste Wort kann noch Schaden anrichten an der Seele des Empfindsamen.

Zum Beispiel das Lob. Die Hervorhebung einer Stärke kann das Gegenüber auf seinen aktuellen Entwicklungsstand festlegen. Nimmt er sich das Lob zu sehr zu Herzen kann es sein natürliches Langen nach einer persönlichen Herausforderung einschränken. Im Übermaß praktiziert kann so das Lob die Entwicklung einer Persönlichkeit durch Überstrahlung seiner mangelhaften Charakterzüge behindern.

Koffein

Ich schütte den Kaffee in mich rein. Tasse um Tasse um… um endlich klar denken zu können. Irgendwann muss sich doch eine Euphorie einstellen. Irgendwann muss ich doch wieder Luft bekommen. Der ganze Nebel atmet sich so schlecht. Meine Lungen fühlen sich feucht an, mein Atem rasselt, meine Nase ist dicht. Ich weiß nicht mehr, wo es lang geht und vergesse, dass der Zug von selbst fährt, dass er den Weg kennt. Zumindest die Teilstrecke, die ich diesmal hinter mich bringe. Wohin führt mich dieses verdammte Schienennetz? Und ist es weit genug ausgebaut, um ein Ziel erreichen zu können? Wird es eine erwartete Ankunft werden, oder steige ich wieder nur auf einen Bahnsteig, auf dem ich der Einzige bin? Wird mich nach dem Ruckeln und Schaukeln der feste Beton unter den Füßen, wird mich die Stille nachdem der Zug außer Hörweite ist, wird mich diese gnadenlose Realität, die einem eigene Entscheidungen abringt, wieder niederstrecken?

Ich habe Lust, an Bord zu bleiben, meinetwegen im Kreis zu fahren oder auch in einem Bahnhof zu übernachten, denn ich weiß ja: der Zug wird wieder fahren. Doch was ist, wenn ich aussteige? Dann bin ich auf mich gestellt. Und wer bin ich denn? Wer bin ich anderes als der, der davon läuft, davon fährt vor allem, weil sich alles gegen mich gestellt hat? Und wo finde ich etwas, das mir zugewandt ist, das mich offen und herzlich empfängt, das einfach nur da steht und nicht weicht, wenn ich näher komme? Gibt es noch etwas heute, das mich liebt. Heute, nachdem meine Geschichte Teil dieser Welt geworden ist?

Ich denke es nicht, aber ich kann meinem Leben auch nicht feige ein Ende setzen. Überhaupt: die Angst vor Feigheit ist doch das einzige, was mich noch treibt. Diese Flucht ist mir wichtig. Sie ist es, die mir zumindest einen Sinn-Ersatz gibt bis ich wieder klar denken kann.

Ah, da kommt die nächste Tasse. Ich nicke dem Kellner nur und deute auf die Münzen, die ich schon aus lauter Ungeduld vor einer ewigen Minute auf die Theke gelegt hatte. Der Kaffee ist heiß, brühend heiß, aber meine Kehle bedeutet mir im Moment nicht viel und so schütte ich die tief-dunkle Masse in mich hinein als könnte sie einen Durst löschen, als wäre es der erste Schluck nach einer Odyssee durch eine Wüste. Und ich fühle mich wirklich wie auf einem Marsch, verfolgt von Träumen, die mit einem einzigen Fluch belegt sind. Dem, nicht vergessen zu können.

Weltenbrandung

Ein grün-blau-blinder Fleck in der Mitte meines Sehens verhindert den Blick auf meine tief-dunkle Mitte. Selbst bei geschlossenen Augen. Ich schwebe zwischen dem matschigen Schwarz, das sich über die umgebende Schwärze legt und dem Ungewiss in meinem Rücken. Ich wünschte tiefes Sinken oder Fallen und verharre dennoch. Mein Geist ist schwach, meine Gedanken halten mich in meiner Schwebe, verhindern jeden Schein, der mich verführen könnte, doch zu gehen. So wache ich und werde wieder ich.

Gefühl einer Nächsten (Skizze)

Entmutigt von falschen Vorwürfen. Der Heimat, ein guter Mensch sein zu wollen, beraubt. Die Hoffnung in Tränen ertränkt.

Trauer und Furcht vor dem Verlust der eigenen Liebe. Angst, sie nicht mehr geben zu können. Das kräftige Herz neu aufstehen zu lassen wird zunehmend zum Kampf.

Glaubensverlust: Tod der Gedanken; Aufgabe der Aufgabe; dünn gewordener Sinn.