Leere Ruhe

Ist nicht eigentlich das Meiste egal?

Wahrscheinlich. Nur, was ist die Dekoration und was ist das Wesentliche? Und wie viel Wesen bliebe übrig, wenn wir es entkleideten? Würde uns der Anblick dessen wirklich erfüllen? Als Mensch meine ich. Ist es dafür im Leben nicht einfach zu früh?

Wofür ist die Zeit, die uns gegeben ist, bestimmt? Ist es das Ziel, dass der Mensch die Leere sucht und sich auf die Suche nach sich selbst begibt, um diese Leere zu füllen? Oder geht es darum, die Fülle des Lebens wahrzunehmen, zu erleben – und am Ende bloßzustellen, um zu erkennen, worum es wirklich geht? Aber ich meine: am Ende. Nicht vorher. Worin sonst liegt der Sinn der ausufernden Möglichkeiten und dem willkürlich erscheinenden Schicksal, wenn nicht im Erleben dessen? Warum soll der Mensch sich zu Lebzeiten davon zurückziehen?

Liegt die eigentliche Meditation nicht vielleicht darin begründet, das Leben zu erleiden und geduldig zu ertragen bis das Ende kommt? Bis die Ruhe tatsächlich und vollständig einen erfasst?

Ego sein

Erschleiche zaghaft die Stille. Sei auf der Hut vor lauthals schreienden Menschen, sei auf der Hut vor Geräusch. Halte Dich fern von Nähe, halte Dich auf Abstand. Sei Du selbst – abgekapselt im bodenlosen Raum. Halte Dich an Dir fest. Spüre Deine Substanz, Deine Kraft. Spiegle Dich in Dir selbst. Erkenne, dass es mehr nicht gibt. Sei Dein Universum und ignoriere den Rest.

Und dann sieh zu, wie Deine Kraft schwindet, wie Du verkümmerst, wie Du klein und dünn wirst. Schau, wie Dein Griff sich lockert, wie Du Dich selbst verlierst. Erkenne, wie Dich das Beobachten auszehrt. Koste diesen Moment, denn er wird Dein letzter sein.

Und dann bist Du erlöst.

Du warst schon nicht mehr weltlich, also hörtest Du auf zu sein.

Du warst schon nicht mehr menschlich, also legtest Du das Kleid ab.

Trage Dich nun selbst fort, lagere Dich ein und dann kehre diesem Du den Rücken. Lerne und werde neu.

Die Linie

Retuschieren Sie den Moment. Gehen Sie an der Linie entlang und folgen ihr bis zu ihrem Ende, so es eines gibt. Sollten Sie daneben treten seien Sie gewiss, dass Sie es bereuen werden und wachen Sie über Ihre weiteren Schritte wieder etwas aufmerksamer. Dies ist kein Spiel, es ist der Ernst. Der Ernst. Es gibt doch nichts Wichtigeres, als zu gehen. Das werden Sie doch auch einsehen. Und auf der Linie zu gehen wird Ihnen ersparen, stehenzubleiben. Wir führen Sie durch die Wälder, ohne dass Sie vor einem Baum stehen bleiben müssen, führen Sie durch die Berge, an den Seen vorbei in notwendiger Distanz, damit Sie keine Gefahr laufen. Sie laufen auf dem sicheren Pfad, den auch andere schon beschritten haben. Wir garantieren natürlich nichts, denn jeder Mensch ist anders – und das Unvorhergesehene kann natürlich immer eintreffen und kann jeden treffen. Das überhaupt ist ja das Fatale daran. Aber von allen Möglichkeiten haben Sie mit der Linie die Beste für einen langen Weg gewählt. Es gibt doch die Erfolge derer, die schon vor Ihnen auf der Linie schritten. Fragen Sie die Großen, von denen Sie schon gehört haben. Sie werden es Ihnen bestätigen. Nur so kommen Sie maximal weit, nur so kann doch Fortschritt funktionieren. Und nun nehmen Sie Ihre Beine in die Hand, denn Sie sind ja hier, um sich zu bewegen, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie stehen schon viel zu lange hier herum. Stellen Sie sich nicht so viele Fragen. Der Weg ist doch das Ziel und die Linie nimmt Ihnen alles ab. Sie müssen einfach nur darauf achten, dass Ihre Füße nur dort auftreten, wo wir eine Markierung hinterlassen haben. Folgen Sie dem Pfad. Gehen Sie. Und retuschieren Sie den Moment. Nur so kommen Sie weg von diesem Elend. Nur so können Sie das alles hier weit hinter sich lassen. Nur so können Sie wirklich loslassen. Nur so kommen Sie aus dieser Gegend heraus.